Archive: Ausstellung 2012

Axel Lieber

Abnehmen

Ort:
loop - raum für aktuelle kunst
Schlegelstr. 26/27
10115 Berlin
Eröffnung:
6. April 2000
Ausstellungsdauer:
7. April bis 7. Mai 2000
Öffnungszeiten:
Mi.-Sa. 14-18 Uhr

Nach einer dreimonatigen Ausstellungspause, die weitgehend der Umstrukturierung und Organisation des loop - raum für aktuelle kunst diente, eröffnet der diesjähriger Ausstellungszyklus mit der Präsentation “Abnehmen” von Axel Lieber.

Dabei liegt die Assoziation des Titels mit “Diäten” und “Frühjahrskuren” nahe. Tatsächlich thematisiert Axel Lieber in seiner Präsentation die Schnittstellen und  Proportionierungen von Körpern zu architektonischen Gegebenheiten. Die bei einer Gewichtsab- und zunahme beanspruchten Kleidungsaccessoires  wie Gürtel, Hosenträger, Gummischnüre u.ä. durchmessen den Galerieraum, wobei die horizontalen und vertikalen Verspannungen alle Raumebenen und Dimensionen miteinbeziehen und somit gleichsam eine dreidimensionale Raumzeichnung, ähnlich einer Architekturzeichnung schaffen. Mit klaren (Raum-)Linien,  formalistischen  Elemente und sogar der Farbigkeit, der  Alltäglichkeit der Stoffe wird auf diese Weise eine modernistisch anmutende Raumsituation gestaltet.
Die Materialität spiegelt dabei zugleich die künstlerische Handlung wieder - das ”Zusammenbinden” der Raumelemente, das “Auffädeln” der Dimensionen mittels Fäden und Schnüre. Der Raum gibt dabei die Struktur vor, an die sich die flexiblen, dehnbaren  Materialien anpassen. Mit dieser ‚Auskleidung' des Ortes kehrt Axel Lieber  den Vorgang  ‚Ankleiden' quasi um;  während Kleidung stützende Formationen benötigen, scheinen sie hier in Form von Verspannungen selbst den Raum zu tragen.

Die auf diese Weise vorgenommene “Abnahme” der Raummaße ergänzt Lieber mit  Möbelobjekten. Diese Skulpturen, “short cuts” (Lieber), entstehen aus ursprünglich normalen Gebrauchsmöbeln, die der Künstler zerlegt, verkürzt und neu zusammengesetzt hat.
Solcherartige “imprimierte” Möbelstücke wirken zwergenhaft-mißwüchsig, komprimiert und konzentriert. Ihre gedrungenen Formen lassen sie nicht wie Kindermöbel erscheinen, sondern wie unnatürliche, geradezu surrealistische Modifikation des im Alltagswissen plazierten Stuhls.

Sowohl die Körperwahrnehmung des Betrachters im Raum wie auch sein  Verhältnis zu den Möbelskulpturen wird in der Installation “Abnehmen” untersucht. Kleider, Kleideraccessoires wie auch Möbel können als ‚zweite Ableitung des Körpers', dem sie ja angepaßt sind betrachtet werden. In einer gegebenen Raumsituation orientiert sich der Mensch mit Hilfe seines Körpermaßes, um Dimensionen (des Raums bzw. des Interieurs) einschätzen zu können. 

Die von Lieber gesetzten Raumachsen in Verbindung mit den verfremdeten Möbel-Mutationen lassen eine genaue Einschätzung der Raumsituation in Relation zum eigenen Körper nicht zu. 
Die individuell gesetzten Richt-Linien lassen keinen kollektiv- alltäglichen Maßstab mehr zu.

“Abnehmen” von Axel Lieber bricht so die Grenzen der Wahrnehmung von Dimensionen, Alltagsdingen und dem eigenen Körper auf, indem er die Maßverhältnisse analysiert und neu festlegt. 
Auf diese Weise nimmt sich der Künstler einer “traditionellen” bildhauerischen Thematik  - der Untersuchung der körperlichen und räumlichen Proportionierung  - in spielerischer, “spannender” Weise an.

-- Holle Rauser