Ben Gräbner

FRAGMENTE






Schon die Titel seiner Arbeiten stehen, spricht man sie aus, wie Skulpturen im Raum: STATO, SED, FAVUS oder HVMO. Der in Stuttgart lebende Künstler Ben Gräbner (*1988) konzentriert sich in FRAGMENTE, der aktuellen Ausstellung bei B-Part Exhibition, auf wesentliche Aspekte bildhauerischer Materialspezifik. Seine skulpturalen Arbeiten thematisieren dabei jedoch nicht nur Qualitäten der verwendeten Materialien, sondern beziehen auch Form und Raum als gleichwertige Kategorien künstlerischer Produktion mit ein. Mal kleinformatig an der Wand, mal hochaufragend der Decke nah, fordern Gräbners teils bild- und reliefhafte Objekte unsere Wahrnehmung gezielt heraus.

Betritt man FRAGMENTE, Gräbners erste Berliner Einzelausstellung, wird sofort sichtbar, dass der Künstler Umgang mit Raum als Setzung versteht: der Blick hin zum großen Fenster des Ausstellungsraums ist von zwei großformatigen Arbeiten verstellt, allerdings nicht im Sinn einer Blockade, sondern als Aufforderung, sich die Skulpturen und den sie umgebenden Raum zu erschließen. Planvoll und doch spielerisch ist Gräbners künstlerischer Gestus, undogmatisch wie bei Sol LeWitt: STATO, die größte Arbeit der Ausstellung, wirkt mit ihren mal weißen, mal schwarz gescheckten, zu einem überlebensgroßen Quader geschichteten Styroporelementen zunächst hermetisch und kühl, erinnert an einen riesigen Eiswürfel. Erst beim Umgehen der Skulptur wird die Auslassung sichtbar, durch die man in deren Inneres schauen kann und so einen ganz anderen Blick auf das Objekt gewinnt: Gräbner hat hunderte von Verpackungselementen so zusammengesetzt, dass sich von außen eine glatte Form zeigt, formale Strenge, von innen aber geradezu eine Landschaft technologischer Negativformen sichtbar wird: kaum zuordenbar sind die doch so vertrauten Elemente: war dies die Verpackung eines Lautsprechers, dort eines Monitors? Diese Narrative gibt Gräbners STATO nicht frei, auch nicht im Sinn eines Modells. Bewusst bleiben die Fragmente Samples mit verschiedenen Implikationen.

Und sie verweisen immer wieder auf das Material – Styropor, das Gräbner auch in den meisten anderen Arbeiten der Ausstellung verwendet, roh, ohne Beschönigungen: alles soll seine Materialität offenbaren, nichts soll verfremdet sein, erst so bekämen die Arbeiten ihre Nachvollziehbarkeit, erst so forderten sie heraus, so der Künstler. Der ökologisch durchaus „zweifelhafte“ Ruf des Styropors, das der einstige Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung (Else-Heiliger-Fonds, 2018) möglichst sowohl aus zweiter Hand bezieht als auch selbst einer Wiederverwendung zuführt, ist da mitthematisiert: Die an einer Ausstellungswand angebrachte, fast würfelförmige Arbeit HVMO besteht aus zwei Holzrahmen und zeigt hinter Klarsichtfolie eine an Landschaft erinnernde Schüttung aus Styroporstücken, die bei der Arbeit an den in der Ausstellung gezeigten künstlerischen Objekten angefallen sind.

Eine vorurteilsbelastete Geschichte wird dadurch allerdings nicht erzählt: vielmehr geht es Ben Gräbner um das genaue Wahrnehmen, darum, den Wert der Dinge als solcher zu sehen, im Raum den Zusammenhang von Form und Material zu erkennen und interessante Mischformen aus der Begegnung beider herzustellen. Eine Arbeit wie die PLA-gedruckte FAVUS zeigt dies exemplarisch: an das Wabenrähmchen eines Bienenstocks erinnernd, ändert sich hier zeilenweise unterschiedlich eine Grundform – der Kreis – über eine Serie von Mutationen in eine andere Grundform – das Quadrat. Sehenswert ist dabei nicht das Ergebnis der Veränderung, sondern es sind dies die vielen Zwischenstufen auf dem Weg zu jener Veränderung. Dass es sich bei dem Material nicht um Wachs, sondern um Polyactide handelt, dass die Formgebung – wie es bei Bienen wäre – scheinbar keines natürlichen Ursprungs ist, sondern Ergebnis einer vom Künstler ausgeführten e-Funktion, lässt umso deutlicher über Zusammenhänge von Form und Material nachdenken. Insbesondere, wenn man sich dessen gewahr wird, dass e-Funktionen tatsächlich genauso Beschreibungen natürlicher Phänomene sind wie Polyactide als chemische Verbindungen in der Natur vorkommen.
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Der Ausstellungsraum B-Part Exhibition begleitet die künftige Entwicklung der Urbanen Mitte Am Gleisdreieck mit künstlerischer Autonomie und tritt somit zugleich in einen Dialog mit den übergeordneten Themen des Gesamtprojekts – Formen des New Work, Co-working, Kultur und Sport – und schafft Synergien zwischen künstlerischen, kulturellen und sozialen Ansätzen. Künstlerischer Leiter des B-Part Exhibition ist Rüdiger Lange (loop – raum für aktuelle kunst).