Form Follows Dysfunction
Form Follows Dysfunction
Fatima Deutscheskind
Núria Fuster
Monika Goetz
Die Gruppenausstellung „Form Follows Dysfunction“ bei „B-Part Exhibition“ lenkt den Fokus auf Formen des Brüchigen, des Im- und Überperfekten, auf das ehemals Funktionierende und das ehemals nur vermeintlich Funktionierende. Anhand von Arbeiten dreier Künstlerinnen zeigt die Ausstellung skulpturale Formen des Dysfunktionalen, die aus dem Scheitern, der Deformation, dem Unvollkommenen entstehen. Sie kündet davon, welche neuen skulpturalen und räumlichen Perspektiven auf Materialität, Struktur und formalen Ausdruck gefunden werden, wenn Chaos und Abweichung als schöpferische Kräfte allgemeiner Erschöpfung anerkannt werden. Diese zeigt sich unmittelbar in Monika Goetz’Arbeit „Line, Exhausted“: die Linie, eine Grundform auch der künstlerischen Moderne, hängt hier erschlafft, erkaltet, als Glasseil an einem Nagel an der Wand – ein „Cold Pastoral“ (John Keats). Die Linearität progressiver Zukunftsversprechen ist einer Ästhetik eines (nicht nur) schwerkraftbedingt zwanghaften Hang Loose gewichen – bei maximaler Transparenz. In Goetz’ ebenfalls gezeigter Arbeit „Esperance“ – ein alter Ausdruck für Hoffnung – breitet sich (ähnlich schicksalhaft?) ein imaginäres Sternenbild über den Boden des Ausstellungsraums aus. Die Sterne bestehen – in der Wiederholung des Runden fraktal – aus zu Kugeln zusammengesetzten, abgebrochenen Flaschenböden. Die hierfür zerstörten, überraschend arrangierten Produktfragmente aus dem industriellem Material Glas wurden bewusst in ihrer scharfkantigen Form belassen, um so ihre Wirkung zu verstärken. Bereits 2016 angefertigt, zeigen sich die kleinen Bodenskulpturen aus heutiger Sicht auch als Verkörperungen von Virus-Visualisierungen, wie sie spätestens seit COVID-19 Teil unserer Wahrnehmung biologischer (Dys-)Funktionen geworden sind – Wahrnehmungen, die sich ähnlich erratisch mit Wissen verbinden, wie eine aus dem Stand der Sterne herausgelesene Bestimmung. Zackig geht es auch bei den Skulpturen von Fatima Deutscheskind zu: ihre sich über die Jahre immer wieder neu zusammensetzende und dabei den Titel modulierende Skulpturenserie „Fine Commerce FDFC Sport Sanctuary Heavy Duty Workshop“ spiegelt und überspitzt zeitgenössische Methoden zur Optimierung von Körper und Geist. Martialische Designobjekte – High-End-Hanteln, die mit scharfen Stacheln, schneidenden Sägeblättern und reflektierenden Spiegelelementen ausgestattet sind – vereinen die Ästhetik virtueller Splatter-Games mit der Welt virtuosen Bodybuildings, das Animierte mit dem Angenieteten. In den Spektren von Fetisch, Schmerz und Style verbinden sich in diesen Skulpturen Fragen nach den Funktionalitäten der Formen und den Dysfunktionalitäten der Körper – und vice versa. Hier feiert die makellose Schönheit industriell gefertigter, durch Popkultur, digitale Oberflächen und New-Work-Paradigmen gedopter Produkte ihre funktionslose Perfektion. Ästhetisch gänzlich anderes erzählend, aber ebenfalls aus bereits vorhandenem, nun bearbeitetem Material, aus bereits vorhandener, nun bearbeiteter Form besteht die hängende Skulptur „Fliehen ins Unterholz“ von Núria Fuster. In ihren skulpturalen Arbeiten widmet sich die Künstlerin einer Untersuchung der materiellen Aspekte von Realität, greift dabei funktionale Ästhetiken auf und setzt verschiedenartige Materialien in einen Dialog. „Fliehen ins Unterholz“ materialisiert eine Art „Geo-Effekt“ eine „materielle Vitalität“. Den von Fuster eingeführten, abstrakt wirkenden Begriffen kommt man näher, wenn man erfährt, dass es sich bei dem in der Skulptur verwendetem Metall um Rohre aus einem mittlerweile abgerissenen ehemaligen Stasi-Gebäudes in Berlin-Hohenschönhausen handelt. Das applizierte Tonelement – glasierte Keramik – funktioniert hierbei als eine Art „Trichter“ zur Verstärkung, für die Resonanz des auch rostig schroffen Metalls im annähernd Glatten. Die ausgewählten Arbeiten aus Fusters Schwarzweißfotoserie „Planetas gaseosos“ knüpfen mit den darauf abgebildeten Formen an die Rundungen auch in den Arbeiten von Goetz und Deutscheskind an, sind aber aus gutem Grund keine Skulpturen, sondern vielmehr Dokumentationen ephemerer Plastiken: zwar könnten etwa die fotografierten, prekär zu einem spinnenähnlichen Gebilde drapierten Fahrradschläuche möglicherweise so eine Zeit überdauern, der sich partial an sie schmiegende Schaum macht das abgebildete Werk jedoch unausstellbar, da schon fast vergangen. Indem Fuster diesen Zustand dokumentiert, erinnert sie daran, dass jede Form ihre Zeit hat.
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