Archive: Ausstellung 1998

Frank Coldewey

samples

Eröffnung: 29. Mai 1998, 20 Uhr
Dauer: 30. Mai - 27. Juni 1998

Frank Coldewey zeigt die ersten Ergebnisse einer neuen Werkreihe unter dem Titel SAMPLES. Grundgedanke der Arbeiten ist die Möglichkeit der Bildentstehung parallel zum Sampling in der Musikproduktion. Musiker haben Formen der Materialverwendung entwickelt, die sich mit herkömmlichen Begriffen wie Montage, Collage, Zitat, Komposition oder Improvisation noch geschichtlich herleiten lassen, deren Ergebnisse aber einen neuen Status von Musik etabliert haben.

Frank Coldewey bezieht sich explizit auf diesen Kontext. Ausgangspunkt seiner Samples sind Sammlungen von Abbildungen aus Versandkatalogen und reproduzierte Teile aus eigenen Bildern, die er unter den Kriterien Farbe, Form und Struktur auswählt und zu kleinformatigen Collagen zusammenklebt: eine Rolle Wellpappe, ein Planschrank, das Lüftungsgitter einer Zusatzheizung, das Logo eines Baumarkts, eine Nudelpackung, ein Fußbodenmosaik oder eine ornamentale Ranke. Auf kleiner Fläche entstehen so verdichtete Konglomerate von unterschiedlich skalierten räumlichen Mustern und farbigen Flächen. Es bildet sich ein weitgehend beliebiges Remix von allgemein verfügbaren und selbstgeschaffenen Visuals. Diese Collagen sind nicht komponiert und haben keinen eigenen Bildwert. Sie sind ein Fundus, auf dem die eigentliche Arbeit aufbaut.

Diese Collagen läßt Coldewey auf einem Farbkopierer bis zum maximalen Grad, den das Gerät hergibt, vergrößern. Er erhät damit Vorlagen, die sich von den Collagen vor allem durch die mediale Vereinheitlichung unterscheiden. Die verschiedenen Oberflächenbeschaffenheiten sind egalisiert, Schnittkanten verschwunden und die Farbtöne unterschiedlichster Herkunft einem technisch normierenden Reproduktionssystem unterworfen. Die Apparatur mit ihrem begrenzten Auflösungsvermögen produziert Unschärfen und Farbverschiebungen, die das Endergebnis mitbestimmen.

Aus diesen Farbkopien schneidet Coldewey rechteckige Formate aus, die er auf Bildträger montiert. Diese Rohbilder sind inhaltlich leer, ohne Geschichte, ohne Orientierung und ohne Komposition. Es sind chaotische, fraktale Ausschnitte aus einer abbildbaren Welt, die immer schon und unverzichtbar in Farben und Formen existiert. Die zufällige Komposition wird als willkommenes Geschenk beibehalten. Man kann sich so etwas nicht ausdenken.

Hier setzt Coldewey mit seiner ausgeprägt malerischen Zielsetzung an und beginnt, mit diesem Sample zu spielen. Alle im Laufe der Malereigeschichte entwickelten Techniken stehen ihm zur Verfügung, was fehlt, wird hinzuerfunden.

Der fixierte Endzustand kann als einzelnes Bild auftreten. Doch Coldewey relativiert den vermeintlichen Stillstand seiner Bilder. Ihre offenen, transitorischen Möglichkeiten werden deutlich, wenn die Samples miteinander kombiniert und in Clustern zusammengestellt werden. Es entstehen Mega-Samples, die sich in ihrer Komplexität steigern, im Inneren verdichten und nach Außen weiter wuchern. Wenn Coldewey Fotografien dieser Megasamples schließlich als Material für neue Collagen recyclt, kann der ganze Prozeß von vorne beginnen.