Jörn Gerstenberg
NotstromTitel: Notstrom
Jörn Gerstenberg
Ort: loop - raum für aktuelle kunst,
Schlegelstraße 26/27 (Aufgang 2, 1.St.)
10115 Berlin-Mitte
Eröffnung: Freitag 28.05.1999, 20Uhr
Ab 22 Uhr Lounge im half loop
Ausstellungsdauer: 29.05. - 26.06.1999
Öffnungszeiten:
Mi. bis Sa. 14 - 18 Uhr
Künstlerische Leitung:
Rüdiger Lange
Die aktuelle Ausstellung "Notstrom" im loop- raum für aktuelle kunst präsentiert eine Wandarbeit und Linolschnitte des Zeichners Jörn Gerstenberg.
Im Zentrum seiner Arbeit stehen die vielfältigen, wechselseitigen Beziehungen zwischen Architektur, Natur, Mensch und Technik. Rankenartig verweben sich figurine Formen im Eingangsbereich des Galerienflügels. Vieldeutige Torsen, pflanzenartige Gebilde, technoide und organische Hybriden bevölkern die Wand in der ehemaligen Fabrik in der Schlegelstraße. Sie winden sich über Stromkästen und wuchern hinab bis zu dem abgetretenen Boden aus Holzfurnierimitat, das seinerseits eine Mischung von Natur und Technik darstellt.
In der mit Filzstift aufgetragenen Zeichnung zeigt sich die Spannung zwischen den organischen Formen und der 'kalten', reduzierten Technik. Die Arbeit verweigert sich eine malerischen Verspieltheit. Zitate aus Bionik und Genetik finden sich in der Wandarbeit, ebenso wie Verweise auf mythische Fabelwesen wie Minotauren, Sphinxe und Zentauren.
Die stilisierten Zeichnungen in "Notstrom" entziehen sich indes gleichzeitig einer eindeutigen Lesbarkeit. Verfremdumgen und Andeutungen locken den Betrachter in ein Labyrinth, in dem jede Figur einen Buchstaben eines geheimen Alphabetes bildet. Doch wann ist ein Körper als Zeichen noch erkennbar? Wann berührt es den Betrachter noch, wenn Verformungen formelhaft dargestellt werden?
Parallel zu der Wandarbeit werden in "Notstrom" großformatige Linolschnitte des Künstlers gezeigt. Die unmittelbare Raumsituation vor Ort, wie die Säulenkonstruktion des Galerieraumes, wird hier ebenso thematisiert wie der Blick auf den alten Fabrikhinterhof. Diese "Fenster in eine andere Welt" setzen architektonische Kontexte (Fassaden, Plätze, Innenräume) zu imaginären Stadtlandschaften zusammen.
Wie schon der Titel der Ausstellung impliziert, geht es in "Notstrom" um die Rückeroberung (und Störung) der technisierten Umwelt durch die Natur. Herunterhängende Stromkabel werden zu Schlingpflanzen, Betonwände verschwinden hinter floralen Formen, die den Kräutern, Blättern und Pflanzen des Fabrikgeländes nachempfunden sind und somit den Ortsbezug behalten.
Doch zeigt die Arbeit keineswegs den Triumph der Natur über Mensch und Technik, sondern verweist auf die gegenseitigen Beinträchtigungen. Die Vermischung natürlicher, technischer und mythisch-magischer Elemente desorientiert den Betrachter und die überwucherte Wand läßt sowohl durch Inhalt (technoide Formen) wie Stil (kalte Künstlichkeit) an einer 'reinen' Natürlichkeit zweifeln.
Somit stellt "Notstrom" gerade in der Zusammenführung der Bereiche Natur, Technik, Mythos und Mensch deren Kompatibilität in Frage.
--Holle Rauser
P.S. Wir freuen uns, mitteilen zu können, daß loop - raum für aktuelle kunst an der Kunstmesse „Young Art Fair, Liste '99" vom 15. -20. Juni 1999 in Basel teilnehmen wird. Die Möglichkeit, sich als freies Projekt in einem internationalen Kontext präsentieren zu können, bestätigt unser Konzept für loop - raum für aktuelle kunst als ein Modell zwischen Galerie und freiem Kunstraum.