B-Part Exhibition

Lines and Layers

Antje Blumenstein



Lines and Layers

Antje Blumenstein

„Lines and Layers“, die aktuelle Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Antje Blumenstein (*1967) bei „B-Part Exhibition“ konzentriert sich auf Grundelemente abstrakter Kunst: Linien, Flächen, Farben. Gleichzeitig reagiert sie auf den Ausstellungsraum – mit einfachen Mitteln, aber vielschichtigen Effekten: manche der gezeigten Arbeiten spiegeln, imitieren und verdoppeln architektonische Elemente des nur vermeintlich neutralen Ausstellungsraums, verstärken seine Besonderheiten. Ganz reduziert und doch mit Aplomb lenkt die Künstlerin so die Aufmerksamkeit auf das, was uns mit ihren Arbeiten verbindet: unsere eigene Wahrnehmung.

Dies beginnt schon bei den Arbeiten, die sich scheinbar neutral zu den Räumlichkeiten des „B-Part Exhibition“ verhalten: „lines B06“ und „lines B07“, jeweils vier im Abstand weniger Zentimeter hintereinandergesetzte, annähernd quadratische Plexiglasplatten mit teils verschiedenen Farben und dezent eingefrästen Linien. Geht man auf die beiden unterschiedlich fluoreszierenden Wandarbeiten zu, werden zwei Aussagen der Künstlerin offensichtlich: dass die Arbeiten auch die Spiegelung der Betrachtenden in den farbigen Flächen beinhalte und dass desto mehr Raum entstehe, ja näher man den Arbeiten kommt. Ersteres ist für Blumenstein nicht lästiges Beiwerk, antipuristischer Nebeneffekt, sondern Arbeitsauftrag und willkommener Mehrwert, zweiteres Detailarbeit. Denn mehr Raum heißt nicht unbedingt größerer Raum, sondern vielschichtigerer Raum – wer sich die Arbeiten nicht von den Seiten, von unten (gar von oben, nicht zu vergessen: von den Ecken her) ansieht, verpasst die Spieglung in der Spiegelung, verpasst die Wechselwirkung der Linien, verpasst die Abstufungen der Farbschatten und die Wirkung der Abstrahlung an der Wand (blau mit grün und orange mit rot mischend), verpasst, definierbare Farben und undefinierbare Grenzen der Arbeit sehen zu können.


Das gleiche gilt für Blumensteins Arbeit „lines B01“, wobei hier zwar die Plexisglasplatten monochrom, nämlich orange fluoreszierend sind, deren Dimensionen, Formen und Raumlagen aber sowohl verglichen mit den anderen Arbeiten als auch innerhalb der Skulptur selbst erheblich variieren. Fast wichtiger noch: hier nun nimmt die Arbeit die Bedingungen des Raums auf, angeschmiegt an Boden und Wand, zudem hängend von der Decke. Linien und Schichten, Lines und Layers treten hier in ein umso abwechslungsreicheres Wechselspiel der Wahrnehmung.


Anders und doch gleich verhält es sich schließlich mit den Arbeiten, die Blumenstein eigens für den Ausstellungsraum des „B-Part Exhibition“, eigens für die Ausstellung entworfen hat: hier tritt zum Spiel mit dem Wechselspiel neben Arbeit und Betrachtenden der konkrete Raum, die Ortsspezifik als dritte Komponente hinzu. Für „mirror 01“ hat Blumenstein die sechsgliedrige Flügeltür, die den Ausstellungs- von einem benachbarten Raum trennt, als Bodenskulptur verdoppelt. Sechs teils verschiedenfarbige Plexiglasplatten nehmen im 90-Grad-Winkel als formales Abbild die Türkonstruktion auf, spiegeln diese – je nach Standpunkt im Raum – wider und strahlen zudem farbig an die Tür und in den Raum zurück. Dezent, ungreifbar und doch mit Charakter wird der White Cube so partiell zur Colourbox.


Ist „mirror 01“ vor allem eine Auseinandersetzung mit Flächeneffekten, so scheint – trotz des Titels – „two layers 01“ ein Befragen der Linie: Blumenstein nimmt hier ein funktionales Element des Raums, eine Traverse, verdoppelnd in die Arbeit auf, zeichnet sie mit horizontal an der Wand fixierten Plexiglaselementen nach, verhilft ihnen erstmals zu gelenkter Aufmerksamkeit, löst sie aus ihrer verschämten Gebrauchswertigkeit. Dass, je nach Standort im Raum, die „two layers 01“ dabei entweder als Flächen oder als Linien erscheinen, ermöglicht der Wahrnehmung der Betrachtenden hier die doppelte Aufmerksamkeit.


Geerdet werden alle gezeigten Arbeiten in der Papierarbeit „lines P47“, als Arbeit aus dem Jahr 2019 die älteste der in der Ausstellung gezeigten. Mit nur sieben Falzungen auf einem Papierbogen – entwickelt aus einer von Blumenstein früher selbst angewandten Regel, immer nur fünf Veränderungen am jeweiligen Material vorzunehmen – stellte die Künstlerin dabei eine technisch äußerst reduzierte Arbeit her. Sie materialisiert nicht nur den Ausstellungstitel „Lines and Layers“ in einer minimalst denkbaren Variante, sondern spielt als Falzzeichnung, als Kippbild aus zwei- und dreidimensionaler Papierarbeit, in ganz besonderer Weise mit Licht und Schatten. Dabei stellt die Künstlerin mit so wenigen Schritten wie nötig so viel Raum wie möglich her. Insbesondere für diese Arbeit gilt, was Antje Blumenstein, mit einem Verweis auf Ad Reinhardt, zu einem Modus operandi der Wahrnehmung erklärt: je reduzierter eine Arbeit ist, desto mehr Zeit muss man sich nehmen, um sie zu sehen.

Der Ausstellungsraum B-Part Exhibition begleitet die künftige Entwicklung der Urbanen Mitte Am Gleisdreieck mit künstlerischer Autonomie und tritt somit zugleich in einen Dialog mit den übergeordneten Themen des Gesamtprojekts – Formen des New Work, Co-working, Kultur und Sport – und schafft Synergien zwischen künstlerischen, kulturellen und sozialen Ansätzen. Künstlerischer Leiter des B-Part Exhibition ist Rüdiger Lange (loop – Raum für aktuelle Kunst). ­