Public Viewing


Mit Werken von:
Judith Brunner, Center for Peripheries, Arthur Debert, Luca Di-Febo, Dana Engfer, Fatima Deutscheskind, Andrea Golla, Sophie Horvath, Maarten Janssen und Petra Trenkel, Josephine Jatzlau, Henning Kappenberg, Karsten Konrad, Franz Küsters, Susanne Lorenz, Valentin Mackh, Oliver Niemöller, Pfelder, Thomas Ravens, Michel Santos, Ralf Tekaat, Petra Tödter, Tim Trantenroth, Goetz Valien, Erik Weiser, Sibylla Weisweiler, Ror Wolf, Jannik Zernke, Julia Ziegler




Vom Volkssport zum globalen Pop-Phänomen — Fußball ist längst zum länderübergreifenden Kulturgut avanciert und durchlief in den vergangenen Jahrzehnten eine dynamische Entwicklung in dessen Rezeption. Das B-Part Exhibition begleitet den Auftakt der EURO 2024 mit der Eröffnung der interdisziplinären Gruppenausstellung „Public Viewing“. Mittels eines Open Calls wurden Künstler*innen öffentlich dazu eingeladen, ihre Positionen erweiterter Blicke auf den Ballsport einzureichen: Wiederaneignungen abseits exklusiv-tradierter Fankulturen und formale Auseinandersetzungen mit den Visionen, Themen und Symboliken rund um das Sport-Phänomen. Während der Begriff des „Public Viewings“ im öffentlichen Raum für das gemeinschaftliche Anschauen übertragener Spiele steht, lassen sich auch Parallelen zum Ausstellungsprinzip ziehen: Eine Öffentlichkeit findet sich zusammen für das gemeinsame Rezipieren im dafür geschaffenen Raum. Im Rahmen der interdisziplinären Gruppenausstellung, die sich den Begriff des „Public Viewings“ zu eigen macht, präsentiert das B-Part Exhibition 29 verschiedene künstlerische Positionen von Grafik, Malerei, Fotografie, plastisch-skulpturalen und installativen Arbeiten, Toncollage bis zur Videokunst.

Der 14. Juni markiert den Auftakt der EURO 2024, der Fußball-Europameisterschaft der Männer, die in diesem Jahr hierzulande ausgetragen wird. Dass Berlin neben fünf anderen Spielen der zentrale Austragungsort ist, wird auch durch visuelle Prozessen im Stadtbild erkennbar: Eine Rollrasenfläche, ausgelegt von der Straße des 17. Juni bis zum Brandenburger Tor, verwandelt die übliche Fanmeile temporär in ein Fußballfeld. Das Wahrzeichen Berlins wird zum gigantischen Fußballtor umgedeutet. Der Ballsport als Massenspektakel findet längst nicht nur in Stadien statt, sondern transformiert auch fernab dieser den urbanen Raum. Nicht allein durch die grüne Fanmeile des Zentrums, sondern durch Public Viewings im Außenraum, Fantrikots und Flaggen, die sich durch das Stadtbild ziehen.


Das B-Part Exhibition begleitet Entwicklungsprozesse des urbanen Raumes und schafft Schnittstellen zwischen städtischer Transformation, Kunst und Kultur. Der Fußball als populärste Sportart einigt und scheidet die Geister. Die Gewaltexzesse der Ultra-Kulturen, Exklusivität und Abgrenzung gegenüber anderen Nationalitäten, Leistungsdruck im Profisport sowie Abwertung des Frauenfußballs und queerer Spieler stehen den gemeinschaftsstiftenden Seiten des Ballsports gegenüber: Der Vereinigung der Massen durch ein euphorisches Zusammengehörigkeitsgefühl, Teamgeist, Integration und Verständigung durch Mannschaftsspieler unterschiedlichster Herkunft. Der Massen-Ekstase, die im Stadium während des Torschusses ausbricht, die vereinenden Riten des Spielablaufs. Zudem ist es die Ästhetik des Sports, die allseits bekannte visuelle Referenzen schafft: Die strikte geometrische Aufteilung des grünen Feldes, die Anordnung der schwarz-weißen Fünf- und Sechsecke, die dem klassischen Fußball zugrundeliegen und nicht zuletzt die Dramaturgie der Spielerbewegungen. Der Fußball als Phänomen beschäftigt auch die Kunst: Auf gesellschaftlichen, emotionalen und formalen Ebenen.

Die künstlerischen Positionen, die in „Public Viewing“ vertreten sind, hinterfragen die politischen Dimensionen, die unmittelbar an den Sport und damit ebenso an die EM geknüpft sind: Inwiefern lässt sich das Prinzip der Nationalflaggen neutralisieren, wenn diese nicht nur für Gemeinschaft, sondern auch unweigerlich für Abgrenzung stehen? Welche Fragestellungen ergeben sich aus dem offiziellen Slogan der EM: „Vereinigt im Herzen Europas“ in Bezug auf aktuelle politische Tendenzen? Und wie wirken sich unterschiedliche Fankulturen auf die intendierte Atmosphäre der gemeinschaftlichen Zusammenkunft im Stadium aus?

Der Fußball als Phänomen hat längst Einzug in individuelle Biografien, die Prägung von Identitätsbildungen und Familiengeschichten genommen. Welche Leerstellen in der Repräsentation werden dabei sichtbar und wie lassen sich diese hingegen wiederaneignen und zurückerobern? Und wie wirkt die popkulturelle Präsenz des Fußballs auf das Privatleben aus? Sammelkarten, Panini-Sticker und Poster bieten Anknüpfungspunkte für nostalgische Erinnerungen aus der Kindheit und Adoleszenz und halten noch immer ihre Präsenz in der Sammelkultur und dem kollektiven Gedächtnis.

Die ausgewählten Künstler*innen beleuchten auf vielfältige Weise die traditionell an den Fußball geknüpften Attribute: Das Stadion, das Feld, die Spieler und das Phänomen des Balles selbst. Sie abstrahieren dabei, interpretieren neu und untersuchen die Wechselwirkungen der Linien, Flächen, und der Farbe. Sie bieten Betrachtungsweisen abseits der kommerziellen Ästhetik des Fußballs. Und hinterfragen nicht zuletzt das Fußballspiel als performativen Gruppenakt, als Tanz, die dramaturgische Korrelation der Bewegungen auf dem Feld: Wie verändern sich die Sehgewohnheiten in Bezug auf ein Spiel, wenn ein elementarer Teil des Gefüges der Sichtbarkeit entzogen wird?

The B-Part Exhibition space accompanies the future development of the Urbane Mitte Am Gleisdreieck with artistic autonomy and thus at the same time enters into a dialogue with the overarching themes of the overall project - forms of New Work, Co-working, Culture and Sport - and creates synergies between artistic, cultural and social approaches. The artistic director of the B-Part Exhibition is Rüdiger Lange (loop - raum für aktuelle kunst).