B-Part Exhibition

Relief


01 Susanne Piotter, 02 Amalia Valdés, 03 Ute Essig, 04 Eva Berendes, 05 Franz Küsters, 06 Michael Laube, 07 Cécile Dupaquier, 08 Karsten Konrad, 09 Frank Coldewey, 10 Bram Braam, 11 Frank Taffelt, 12 Jochen Mura, 13 Axel Lieber, 14 Katrin Otto, 15 Dieter Detzner, 16 Maria Muñoz, 17 Benjamin Gräbner, 18 Zora Janković




Das Relief kann zwischen der Bildhauerkunst und der Malerei verortet werden. Entstanden aus einer Fläche oder einem Körper, hebt es sich plastisch vom Hintergrund ab, figürlich oder abstrakt-ornamental. Die Gruppenausstellung RELIEF bei „B-Part Exhibition“ zeigt verschiedene aktuelle Werkgruppen mit Reliefs, diezüge zur Architektur, zum Urbanen, zu räumlichen Konzepten aufweisen, die aber auch durch verwendetes Material und verwendete Form aufeinander Bezug nehmen. Das Spiel von Licht und Schatten sowie scheinbare Bewegungen in den Arbeiten, erzeugt durch eigenen Positionswechsel im Ausstellungsraum, lassen das Relief als gegenwärtige künstlerische Ausdrucksform hervortreten. Durch die serielle Präsentation, durch das Zusammenspiel der Arbeiten lotet RELIEF neue Definitionen des Genres aus, sich von der Skulptur abgrenzend oder diese erweiternd. Es entsteht ein Fries:

Frank Taffelts Arbeit aus seiner Serie „KB.S. [Nr. 17–24]“ folgt einem reduzierten Konzept: Drei Materialien (Holz, Papier, Metall), drei Aufträge (Bleistift, Grundierweiß, Acrylweiß) und Multiplexplatten mit fünf Bohrungen in drei Stärken (9, 12 und 15 mm). Unregelmäßig gefaltete, 3 mm breite Streifen Papier lassen einen plastischen Parcours mit reliefartiger Oberfläche und einer strengen Architektonik entstehen. Der Rhythmus gleicht einem Code.

Auf Grundlage architektonischer Strukturen und Formen setzt Jochen Mura aus „einfachen“ Materialien wie Karton, Holz und Acrylglas farbig reduzierte, minimalistische Objekte und Installationen zusammen. Bei seiner hier gezeigten Arbeit aus der Serie „Die Fehlbarkeit der Einsichten“ werden in mehrfacher Hinsicht Raster zum Motiv für vermeintliche Transparenz, sorgen für ein Wechselspiel zwischen Vorder- und Hintergründen, von Räumlichkeiten und Flächen.

Die dreidimensionale Topographie eines fiktionalen Ortes zeigt Katrin Ottos Holzarbeit „Fassade“, die eine klare Tendenz in Richtung Architektur und Raumgestaltung aufweist. Die segmentierten Profile formen zusammen mit den unregelmäßigen Kanten der vertikalen Lamellen ein abstrakt organisches Relief; durch die milden Abstufungen von Licht und Schatten entsteht zusätzlich eine fast irisierende Räumlichkeit, das haptische wird so auch zum wahrnehmungsbezogenen Relief.

Franz Küsters’ Werk zeichnet aus, dass es abstrakte geometrische Reduktion und visuell-sinnliche Vielfalt im Sinn konkreten Denkens vereint. Seine Arbeiten laden ein, der eigenen Wahrnehmung Raum zu geben. Die hier gezeigte Arbeit „Versatz“ changiert zwischen Malerei und Objektkunst. Durch die denkbare einfachste Geste – die Verrückung – wird sie zum Relief, unterstreicht diese Geste aber durch Farbe hin zum plastischen Bild.

Die in der Netzkultur zu verortende Mode des „Unboxing“, des zelebrierten Entnehmens eines Produkts aus seiner Verpackung, erhält in Axel Liebers Wandobjekt „Mein konstruktiver Alltag“ ein Update: Lieber „entnimmt“ die Verpackungen ihrer selbst und lässt nur einen schmalen Rand übrig, der Markennamen noch teils sicht- oder erahnbar macht. Zu einer bunten, fragil erscheinenden Konstruktion geclustert, definieren die durchlässigen Alltagsgegenstände nun einen nicht alltäglichen Raum, der auch als spätkonsumistischer Kommentar zu Lajos Kassáks Konzept der „Bildarchitektur“ dienen könnte.

Schroffe, gerade, runde, hohle, eckige, wuchtige und geschmeidige Formelemente sind es, die Zora Janković in ihren Betonarbeiten verwendet. Im Zusammenspiel mit den mal durch den Guss roh belassenen, mal glatt geplätteten Betonelementen verweist auch ihr aus Beton und Papier gestaltetes Relief „S3R214“ auf den Prozess seiner Entstehung. Fragen an Form und Material tauchen auf: was ist Beton, was Papier, auf welche Weise können sich die beiden Materialien so ähneln und welche Rolle spielt die Farbe für die Plastizität der Arbeit?
An der Wand hängend oder aus der Wand ragend, autonomes Objekt oder Architekturmodell?

Frank Coldeweys „Relief (Nr. 32)“ aus Karton, Papier, Schnur, Holz, bemalt mit Acryllack, erinnert in Form und Exponiertheit an neuere Architekturen wie die Monte-Rosa-Hütte in den Walliser Alpen; die Anmutung der einfachen Materialen und die Teils brüchige Struktur lassen jedoch eher an einen brutalistischen Rest, an eine urbane Ruine denken.

Benjamin Gräbners bildhauerische Holzarbeit „MOKEW“ scheint Raum zu scheiden. Die Differenz zwischen dem schroffen Innen und dem glatten Außen seines nach einer – unserer – Seite offenen Kubus ist der Gestaltung nach eine formale, die u. a. nach Technik, Werkzeug und gestischem Nachweis fragt.

In fast jedem Berliner Viertel liegen sie befestigt auf der Straße: Mosaikpflastersteine, die, gelockert und aufgehoben, bisweilen anderen, handfesten Zwecken dienen. Ute Essigs Arbeit „Ein Viertel Berlin“ zeigt die Steine nun als Porzellanabgüsse – die festen Objekte werden so zu fragilen, zudem reinen und glatten. Hängend an der Wand platziert, werden die Steinrepliken zum urbanen Relief, ihre faszinierende Oberfläche kann im weißen Porzellanabguss reflektiert werden.

Nimmt man Bram Braams aus Fliesen, Farbe, Stahl und Holz gefertigtes Tableau „TO CONVERT A PLACE INTO A STATE OF MIND“ beim Wort, stellt sich sofort die Frage, ob mit dem „Ort“ die reliefartige Fläche im Bildrahmen gemeint ist, oder ob der erwirkte Geisteszustand, vom Bild ausgehend, den Ort seiner Präsentation erfasst hat. Im Fall von Braams Arbeit würden wir dann von Zuständen der Neukonfiguration sprechen, der Taktilität, der Wiederaneignung, der Ver-Räumlichung.

Eva Berendes’ unbetiteltes Gipsrelief stammt aus einer fortlaufenden Serie gleich produzierter und sich ähnlich scheinender Arbeiten. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ihren Herstellungsprozess bloßlegen, indem sie den Abdruck der Holzplatten, in die sie gegossen wurden, sichtbar machen. So entsprechen die Gliederungen und Strukturen in ihren Anmutungen eher den Charakteristika eine Gießform für Gips, Negativ und Positiv scheinen also vertauscht. Signifikant auch die Elemente, die das Bild gleich doppelt zum Relief formen: wie übrig gelassene Reste oder zusätzlich angebrachte Teilstücke eines größeren Ganzen komplettieren sie das Werk zum Fragment.

Die Arbeiten von Dieter Detzner funktionieren oft als Vexierrätsel: Was ist das Innen der Arbeit, was Ihr Außen, was Rahmen, was Bild, was zwei-, was dreidimensional? Die Eigenschaften seiner bevorzugten Materialien – etwa Acrylglas und Spiegelglas – helfen ihm bei der Rätselstellung. Auch Detzners unregelmäßig, dabei förmlich klar definiert in den Raum ragende Arbeit „DD11B02“ öffnet und verschließt sich gleichzeitig. Das Rätsel bleibt.

Das Betonrelief „Repetitive Structure No.2“ von Susanne Piotter erinnert mit seinen gleichmäßigen Formen an keltische Muster oder ein ornamentales Logo. Dabei lässt die gegossene und so ausgesprochen plastische Struktur durch die Farbgebung der einzelnen „Linien“ auch an Abbildungen aus dem Bereich der Infografik denken, etwa an den Netzplan des U-Bahn-Systems von Neapel, bei dem eine Linie eine Schleife fährt. Im Spagat von Differenz und Wiederholung führen uns aber auch diese farbig vorgezeichneten Linien und Kurven ins Ungesicherte. Ist die Struktur wirklich repetitiv, wie es ihr Titel vorgibt, oder führt sie uns – mit sechsfacher Option auf einen Absprung – in die Irre?

Cécile Dupaquiers künstlerische Praxis basiert auf der Bearbeitung und Veränderung einfacher Baumaterialien. Bei „Miniboard n°5“ erhält eine Gipskartonplatte durch doppelte Faltung eine nahezu poetische Dimension. Mit der Form des Objekts und Farbigkeiten des Materials spielend, pendelt die Arbeit, an der Schwelle zu einem Kommentar auf den Minimalismus, zwischen Trompe-l’œil und Origami.

Die Wandskulptur „Progression of Color“ von Maria Muñoz verdichtet Abstraktion zu Perspektiven auf eine kreisende und sich doch ständig verändernde Wahrnehmung. Sieht man eine flächige Raute oder eine im Raum liegende „Null“, einen Ring – einen Loop? Die Reliefstruktur und die in unterschiedlichen Farben bemalten Oberflächen der Module aus Eichenholz unterstützen und verstärken das Spiel von Farben und Formen.

Michael Laubes Wandarbeit „08-20, 2020“ ist ein Spiel von Raum und Fläche. Zeigen die mit Acryl gemalten Linien und Formen eine gewisse Strenge, wird diese durch die Differenz der Farben doch abgemildert – vor allem aber durch die räumliche Tiefe des Bildobjekts, das der architektonischen Vorstellungskraft plötzlich freien Raum lässt.

Amalia Valdés untersucht in ihren Arbeiten – oft Wandreliefs – u. a. geometrische und raumproduzierende Aspekte von Rastern. Die Betrachtenden werden in der Begegnung mit ihren hier matten, dort glänzenden, dann reflektierenden Arbeiten zu aktiv Beobachtenden, die Veränderungen von Form, Farbe und Licht entsprechend ihrer Perspektive und der Position ihrer Körper wahrnehmen – so auch bei ihrem „invertierten“, Raum zu einem „Innen“ erweiternden Spiegelrelief „Morgenstern“.

Karsten Konrads im Raum stehende Arbeit „monolith II“ scheint eine Referenz zu Stanley Kubrick’s Film „2001“, in dem der schwarze, außerirdische Monolith als der für uns unergründliche Ursprung unserer Zivilisation steht. Hier nun ist, annähernd unergründlich, ein ursprünglich mit den Charakteristika des modernen Pragmatismus gelabeltes Stahlrohr-Möbel dysfunktional zur Skulptur geworden, worauf insbesondere die zum Relief umgearbeitete schwarze Formika-Oberfläche verweist.

Der Ausstellungsraum B-Part Exhibition begleitet die künftige Entwicklung der Urbanen Mitte Am Gleisdreieckmit künstlerischer Autonomie und tritt somit zugleich in einen Dialog mit den übergeordneten Themen des Gesamtprojekts – Formen des New Work, Co-working, Kultur und Sport – und schafft Synergien zwischen künstlerischen, kulturellen und sozialen Ansätzen. Künstlerischer Leiter des B-Part Exhibition ist Rüdiger Lange (loop – Raum für aktuelle Kunst).